Kolumne
Mal da und dann wieder doch nicht – Cerebral Visual Impairment

Mal da und dann wieder doch nicht – Cerebral Visual Impairment

Mal da und dann wieder doch nicht. Wie wirkt sich eine Seheinschränkung wie die Cerebral Visual Impairment (CVI) auf die Entwicklung eines Kindes mit Cerebralparese aus? Wie nehmen Kinder mit CVI ihre Umwelt wahr? Wie beeinflusst die Seheinschränkung ihre Entwicklung und ihre Selbständigkeit? Und wie können wir in der Therapie Elemente einbauen, die Kindern mit CVI helfen, ihr Umfeld besser zu sehen und wahrzunehmen? Mit diesen Fragen sind wir immer wieder konfrontiert, wenn wir Kinder therapieren, die von CVI betroffen sind. Ich möchte diese Kolumne deshalb der CVI widmen.

CVI steht im Zusammenhang mit Störungen der Sehbahnen oder des Sehzentrums und bildet einen Dachbegriff für alle visuellen Einschränkungen im Zusammenhang mit Hirnläsionen und Hirndysfunktionen.1 Die klinischen Erscheinungen variieren je nach Kind und betroffenen Hirnarealen, sie müssen individuell erfasst und angegangen werden.1 Eine Einschränkung des unteren Gesichtsfeldes erschwert die visuelle Rückmeldung von Bewegungen der Arme und Beine. Kindern mit einer schweren bilateralen spastischen Cerebralparese und schweren kognitiven Beeinträchtigungen, bei einer Hirnschädigung der hinteren Parietallappen, ist es eventuell nicht möglich, mehr als ein Objekt zu sehen (echte Simultanagnosie). Little und Dutton haben zeigen können, dass diese Kinder plötzlich viel mehr um sich schauen, wenn sie von einem einfarbigen kleinen Zelt umgeben sind.2 Plötzlich zeigen sie Fähigkeiten, mehr visuell wahrzunehmen als in einem Umfeld mit sehr vielen Eindrücken. In ähnlicher Weise kann sich bei frühgeborenen Kindern mit einer Periventrikulären Leukomalazie (PVL) eine Simultanagnosie und ebenfalls eine teil-visuelle-motorische Koordinationsstörung zeigen. Fazzi et al. beschreiben einen Zusammenhang der CVI mit einer verzögerten Entwicklung der posturalen Kontrolle.3 Die fehlende Motivation, sich auf ein Objekt zuzubewegen oder nach Gegenständen zu greifen, kann die Folge einer Einschränkung des Visus, der visuellen Suche und des visuellen Erkennens sein.1 Das vermehrte Bewusstsein über den Einfluss von CVI auf Bewegungen und Handlungen von Kindern hat dazu geführt, dass diese Seheinschränkung in den neuen Definitionen von Cerebralparese miteingeschlossen wird.4,5 Ebenfalls können Kinder mit einer nur leichten motorischen Einschränkung, zum Beispiel einer sogenannten Developmental Coordination Dissorder (DCD), von CVI betroffen sein.1

Das Wissen um den Einfluss einer Einschränkung des Sehens und der Sehwahrnehmung auf das Lernen, die sensomotorische Entwicklung und die soziale Interaktion hilft, die Unterstützung der betroffenen Kinder und deren Familien zu optimieren. Informationen zu unterstützenden Therapien (Low Vision) und zu verschiedenen visuellen Befunden finden sich unter folgenden Webseiten: http://www.lowvisionzentrum.ch und http://www.lea-test.fi.

Bei meinen Recherchen zu CVI bin ich auf eine Fülle von Informationen und spannende Studien und Bücher rund ums Thema gestossen. Als Therapeutin ist es wichtig über die Sehkompetenzen der Kinder Bescheid zu wissen. Wertvolle Gedanken über Hell oder Dunkel, Farbe oder Schwarzweiss, langsam bewegende Objekte oder schnelle Objekte können dem Kind ermöglichen gezielt wahrzunehmen, zu lernen und somit auch Einfluss auf seine Umwelt zu nehmen.

Quellenangaben

  1. Chokron, S., Dutton, G. N. & Camp, J. S. Impact of Cerebral Visual Impairments on Motor Skills : Implications for Developmental Coordination Disorders. Front. Psychol. 7, 1–15 (2016).
  2. Little, S. & Dutton, G. N. Some children with multiple disabilities and cerebral visual impairment can engage when enclosed by a ‘ tent ’: Is this due to Balint syndrome ? Br. J. Vis. Impair. 33, 66–73 (2015).
  3. Fazzi, E. et al. Cognitive visual dysfunctions in preterm children with periventricular leukomalacia. Dev. Med. Child Neurol. 51, 974–81 (2009).
  4. Rosenbaum, P. et al. A report: the definition and classification of cerebral palsy April 2006. Dev. Med. Child Neurol. 49, 8–14 (2006).
  5. Bax, M., Flodmakrk, O. & Tyceman, C. From syndrome toward disease. Dev. Med. Child Neurol. 49, 39–41 (2009).
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