Der idiopathische Zehenspitzengang: Drei Zehenspitzengänger behandle ich zurzeit bei mir in der Praxis: Eine Zweieinhalbjährige, die munter plappert und Hindernisse übersieht, weil sie schon das Ziel weiter vorne anstrebt. Ein Kindergärtner, der immer alles eher gehetzt erledigt und zu allem sagt, wie einfach doch diese Aufgabe sei. Ein Drittklässler, der schon früher zu mir kam, als er mit vier Jahren wegen seinen Koordinationsproblemen auffiel. In der Literatur nach Verhaltensauffälligkeiten oder sensomotorischen Besonderheiten bei Zehenspitzengängern suchend, brachte kein befriedigendes Ergebnis hervor. Die Literatursuche klärte jedoch nochmals die Diagnose und die aus heutiger Sicht besten Behandlungsansätze.
Der idiopathische Zehnspitzengang kommt bei 15% aller Kinder über einen Zeitraum von etwa drei Monaten vor. Dabei variieren die Kinderzwischen Zehengang und plantigradem Gang (1). Der idiopathische Zehenspitzengang ist eine Ausschlussdiagnose: Kein einseitiger Zehenspitzengang, ohne gesteigerte Reflexe/keine Hypertonie/keine Kloni, ohne muskuläre Schwäche, unverändert seit dem Laufen lernen, Ausschluss von Autismus, Ausschluss von RM Fehlbildungen (2). Es besteht eine familiäre Häufung über zwei Vorgängergenerationen hinweg (3). Das Kind läuft auf seinen Fussballen, ohne dass es einen Grund dafür gibt (3). Dabei benutzt der Zehenspitzengänger in der Standbeinphase weder den ersten Drehpunkt (heelrocker) noch den zweiten (ankle rocker). Es dreht beim Abrollen lediglich um den Fussballen Drehpunkt (toe rocker).
Die Klassifikation der Zehenspitzengänger unterliegt einer grossen Wirrnis, einerseits wird eine Gruppe mit eingeschränkter Dorsalextension im OSG beschrieben und eine andere mit uneingeschränkten ROM(Range of Motion) im OSG. Hier beginnt der Streit unter den Fachleuten, ob diese Einschränkung nun Ursache oder Folge des Zehnspitzenganges ist (3).
Worin man sich aber einig ist, ist die Tatsache, dass ein persistierender Zehenspitzengang schwerwiegende Folgen haben kann: Fussdeformationen, eine starke Beckenkippung, die langfristig zu Wirbelsäulenschäden führen kann und irreversible Achillessehnen Verkürzungen(4). Der frühzeitige Therapiebeginn ist wichtig, um die schwerwiegenden Folgen auf Statik und Motorik zu verhindern (5).
Der heutige Therapieansatz beinhaltet verschiedene Aspekte: Die sensorische Integration unterstützt die Wahrnehmungskompetenz der Füsse und des ganzen Körpergleichgewichts (6). Das Ziel ist es, das Kind in ein inneres und äusseres Gleichgewicht zu bringen. Das Bobath-Konzept soll Tonus regulierend wirken, indem Bewegungsübergänge (beispielsweise vom Sitz in den Stand) die gesamte motorische Kompetenz fördern und regulieren (7). Die von Pomarino entwickelten Pyramideneinlagen sollen mit der individuell angepassten Unterlagerung der Metatarsalia 2-4 einen Vorfussdruck erzeugen und eine Konditionierung schaffen, dass das Kind nicht mehr auf den Zehnspitzen gehen und stehen kann und demzufolge auf den Fersen zu stehen kommt. Die Hyperlordose vermindert sich (8). Hierzu führte Pomarino von 2003 bis 2004 auch eine Studie bei 260 Kindern in Hamburg durch, die besagt, dass bei annähernd 70% der Betroffenen innerhalb von 18 Monaten der Zehnspitzengang verschwunden ist (8).
Quellenangaben