Für zielgerichtete Bewegungshandlung brauchen wir Informationen über unsere Umwelt (Exterozeption) und unseren Körper(Interozeption). Diese werden unter anderem durch die Oberflächensensibilität der Haut und die Propriozeption (Rezeptoren in Gelenken und Muskeln)aufgenommen.1 Zusammen bilden sie die Basis für unsere Körperwahrnehmung und die Bewegungskontrolle über das „Feedback-System“.2 Obwohl die Relevanz der Körperwahrnehmung auf das Erlernen von motorischen Fähigkeiten unbestrittenist2, wird diesem Thema in der Rehabilitation oder „Habilitation“ von Kindern und Jugendlichen mit neuromotorischen Einschränkungen kaum Beachtung gezeigt.
In der Therapie mit Kindern mit neuromotorischen Einschränkungen erkennen wir den Einfluss von Oberflächensensibilität und Körperwahrnehmung auf das Erlenen und Wiederlernen von motorischen Aktivtäten und Handlungen. So beschreibt zum Beispiel ein Junge mit bilateraler spastischer Cerebralparese, dass er seine Beine gar nicht richtig spüre, mit den Worten: „Ich weiss gar nicht, was meine Beine tun und wo sie sich befinden.“ Es scheint, als habe sich die Repräsentation seiner Beine im sensorischen Kortex verzögert oder unzureichend entwickelt. Auf Hirnstrukturebene wird dieser Prozess, der zur Bildung der Körperwahrnehmung und der Körperbewusstseins führt, erforscht.3,4 Noch mehr Gewichtgibt der Aussage des Jungens eine qualitative Untersuchung von Brunton und Bartlett. Diese fanden heraus, dass die Lebensqualität bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit Cerebralparese höher war, wenn diese eine gute Körperwahrnehmung und ein gutes Körperbewusstsein entwickeln konnten5.
An den folgenden zwei Beispielen aus der Studie wird deutlich, wie unterschiedlich die Ausbildung des Körperbewusstseins den Alltag der Betroffenen Personen beeinflusst (Übersetzung aus der Studie ins Deutsch, ohne Autorisierung):
Meine Beine, meine Beine sind fertig. Nach einemrichtigen Velotag mit der Familie kann ich wirklich sagen, meine Beine sind fertig…… da gibt es Zeiten, wo ich stoppen muss. Da brauche ich meine Eltern, die mich nach Hause stossen, weil meine Beine nicht mehr können (Travis 19Jahre alt, GMFCS1 II, CFCS2 I) Ich denke, ich komme zudem Punkt. wo ich einen anderen Weg finden kann, um Dinge zu machen, auf eine andere, adaptierte Weise. Es geht auch um Komfort, du willst dich wohlfühlen, richtig? (Wade 20 Jahre alt CP, GMFCS II, CFCS I)
1 GMFCS – Gross Motor Function Classification System
2 CFCS– Communication Function Classification System
Noch ist unklar, wie sich Oberflächensensibilität und Körperwahrnehmung auf Fähigkeiten und Fertigkeiten auswirken. Hier sind wir auf weitere Forschungsresultate und unsere empirischen Erfahrungen angewiesen. Indem wir auf Aussagen wie diejenigen des Jungen eingehen und Elemente zur Förderung der Körperwahrnehmung in die Therapie einbauen, können wir die Kinderund Jugendlichen auf dem Weg zur Bildung einer guten Körper- und Selbstwahrnehmung begleiten.
Quellenangaben