Kolumne
Knick-Senk-Füsse

Knick-Senk-Füsse

Der flexible Knick-Senk-Fuss: Im Praxisalltag werden mir oft Kinder von 3 bis 16 Jahren mit dieser « Fussproblematik » überwiesen. Damit wir den Eltern klare Aussagen und dem Kind gezielte Angebote machen können, möchte ich mich genauer damit auseinandersetzen. Leider besteht relativ wenig Evidenz. Gründe dafür sind: fehlende Kontrollgruppen, Schuhwerk-unabhängige Effekte, fehlende Follow-Ups, altersgruppierte Vergleichsdaten (1). Definiert wird der Knick- Senk-Fuss als dreidimensionale Fehlstellung (2). Die Prävalenz bei 19 Monate alten Kindern beträgt 97% und somit gilt er als physiologisch (3). Verantwortlich dafür sind eine eingeschränkte Muskelkraft und eine mangelnde ligamentäre Stabilität. Er stehtauch im Zusammenhang mit der Gesamtentwicklung der unteren Extremität(Sohlenfettpolster, femorale Antetorsion u.a.) (4). Erst sukzessive entwickelt sich die Fussarchitektur unter Belastung (form follows function). Zwischen 3bis 6 Jahren teilweise bis hin zum Ende der ersten Dekade bildet sich das mediale Fussgewölbe aus. (Prävalenz: 3 Jahre: 54% und 6 Jahre: 26%) (2).Abgrenzungen gelten für Kinder mit Kollagenerkrankungen, Syndromen und neuromuskulären Erkrankungen. Diese sind separat zu betrachten (2). Bei 4% der10-jährigen persistiert der Knick-Senk-Fuss oder ist progredient (5). Relevante Faktoren für das Vorkommen eines Knick-Senkfuss sind: Alter (siehe oben),Geschlecht (Knaben>Mädchen), Gewicht, laxer Bandapparat und W-Sitzer (6).Bezüglich des Gewichts steigt die Prävalenz mit dem Mass des Übergewichts (7).

Eine Schmerz- und Funktionsanamnese, eine Beurteilung des Schuhwerks sowie diagnostische Tests(Heelrise test, Toe raising test, Einbeinstand und Einbeinhüpfen, Silverskjöld Test), Beinachsenbetrachtungen und eine Videoganganalyse (mit dem Einverständnis der Eltern) von allen vier Seiten ergeben eine für den therapeutischen Zweck geeignete Diagnostik (5.)

Resultierend für die Therapie bedeutet dies: Kinder untersechs Jahren, die keine subjektiven Beschwerden angeben, brauchen keine Physiotherapie. Sinnvoll ist die Elternberatung dennoch: kein Übergewicht, weiche Schuhe mit ausreichend Platz, Barfuss gehen auf verschiedene Unterlagen, den natürlichen Bewegungsdrang fördern, wie klettern, rennen (5). Für Schulkinder gelten die im Kleinkindesalter beschriebenen Fördermassnahmen weiterhin. Zusätzlich soll durch  propriozeptives Training ein Korrekturmechanismus gelernt werden, der ein Krafttraining beinhaltet. Zusätzlich sollen Verkürzungen gedehnt werden. Bei Bewegungseinschränkungen können mobilisierende Massnahmen angewendet werden, wobei hier die sogenannte tarsale Coalitio, die eine pathologische Verbindung zwischen einem odermehreren Knochen im Rückfussbereich ist und Schmerzen und Bewegungseinschränkungen verursachen kann, ausgeschlossen werden muss (5).

Quellenangaben

  1. MacKenzie,A.J., Rome, K., Evans, A.M., The efficacy of nonsurgical interventions forpediatric flexible flat foot: a critical review. Journal of PediatricOrthopaedics, 32(8). 830- 834 (2012)
  2. Speth, B., Hellmich, H., Der kindliche Knick-Senkfuss – einProblem? Paediatrica 28(1). 31-34 (2017)
  3. Hefti, F., Erste Round-Table-Diskussion der APO zum Thema:Knicksenkfuss beim Kind– Einlagen wann und wie? OAP-Revue (2013)
  4. Hefti, F., Kinderorthopädie in der Praxis. Springer3.Auflage (2015)
  5. Hell, A.K., S2k-Leitlinie DGOOC Kindlicher Knick-Senk-Fuß. AWMF-Registernummer: 033/020 (2017)
  6. Chen,K.-C., et al., Relevant factors influencing flatfoot in preschool-agedchildren. European journal of pediatrics 170(7). 931-936 (2011)
  7. Chang,J.-H., et al., Prevalence of flexible flatfoot in Taiwanese school-agedchildren in relation to obesity, gender, and age. European journal ofpediatrics 169(4). 447-452 (2010)
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