Kolumne
«Wo ist der Unterschied?» Einfluss von Fachwissen der Therapeuten auf die Therapie

«Wo ist der Unterschied?» Einfluss von Fachwissen der Therapeuten auf die Therapie

„Where’s the difference“ – wo ist der Unterschied? Als ausgebildete NDT-Bobath Therapeutinnen und Therapeuten ist unser Anspruch an unsere therapeutische Tätigkeit hoch. Mit einer fundierten, patienten- orientierten Ausbildung sind wir die Spezialistinnen und Spezialisten im therapeutischen Bereich von neuro-motorischen Einschränkungen bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Mit der Grundausbildung und verschiedenen Weiterbildungen haben wir uns eigene Standards angeeignet, welche unser Vorgehen und Arbeiten strukturieren. Diese Standards oder auch Leitlinien sind sehr berufsspezifisch und sie sind wichtig für die Qualität und Qualitätsüberprüfung. Doch ist es auch so, dass Kinder von diesem speziellen Fachwissen besonders profitieren? Oder um über den Zaun zu blicken: würden Schülerinnen und Schüler einer Lehrerin, welche eine Ausbildung basierend auf den aktuellsten Lernstrategien vorweisen kann, bessere Noten erzielen, als eine Klasse, welche einer weniger gut ausgebildeten Lehrerin unterrichtet wird?

Im therapeutischen Bereich gibt es nur wenige wissenschaftliche Arbeiten, die sich mit dem Wissens von Fachpersonen befassen. So haben Rezaei et. al. das Fachwissen von iranischen Ergotherapeutinnen und Ergotherapeuten erfasst.1 Deren Kenntnisse über das Handling und Anleiten von Bezugspersonen von Kindern mit zerebraler Bewegungsstörung nach der Grundausbildung mit Zusatzmodul in Pädiatrie waren moderat . Doch wie sollen sich Fachpersonen Wissen aneignen? Bennet et al., präsentieren ein Modell zu „Knowledge translation process“ basierend auf dem PDCA-Zyklus (Plan-Do-Check-Act).2 Ein Review belichtet das Lernen in Fachgruppen in der Praxis, ebenfalls in der Ergotherapie.3 Aus den vier eingeschlossenen Artikeln wurden die Hauptthemen definiert, welche sich mit der professionellen Entwicklung aufgrund verschiedener Grundlagen befassen, z.B. durch das Austauschen von Wissen mit anderen Fachpersonen. Ein spannender Artikel von Julie Vaughan-Graham belichtet den Prozess des „Clinical Reasonings“ von Bobathinstruktorinnen und Bobathinstruktoren im Bereich der Erwachsenen Neurologie. 4 Ein Thema, das sehr wichtig ist und in der aktuellen Rehabilitationsforschung meist zu kurz kommt. Spannend sind vor allem die Zitate aus einzelnen Therapiesituationen. In all diesen Studien wird davon ausgegangen, dass die Kinder, Klienten oder Patienten direkt vom Fachwissen der behandelnden Therapeutin, des behandelnden Therapeuten profitieren. Doch die initiale Frage dieser Kolumne ist nicht beantwortet. Deshalb zurück zur Schule:

Was ist nun an der Aussage dran: „better teachers make better students“? Auf der Webseite des „Center for public education“ gibt es ein übersichtliches Review dazu.5 Die Resultate sind erstaunlich. So war der Einfluss der Lehrperson auf die Leistungen der Studenten grösser als die der Herkunft oder der Klassengrösse, der Effekt war stärker bei den schwächeren Schülern und kumulierte sich mit der Anzahl der Schuljahre. Jedoch hatten auch diese Studien mit den gleichen Faktoren umzugehen wie die Rehabilitations- Forschung. So zum Beispiel mit der Frage: wie wird eine gute Lehrerin oder ein guter Lehrer definiert? Wie werden Lehrsituationen standardisiert? Und ist dies überhaupt möglich? Spannende Gedanken und Informationen dazu finden sich auch in dem Buch von Allan Guggenbühl “ Die vergessene Klugheit“. 6 Treffend schreibt er: “Die grosse Gefahr besteht darin, dass Vereinheitlichung angestrebt wird, wo Vielfalt geboten wäre. Wenn sich die Medizin, der Unterricht an Schulen, die Psychotherapie und manch andere Arbeit von Menschen an Menschen an Standards, einer einheitlichen, vermeintlichen besten Lösung orientieren soll, die dann von oben herab durchgesetzt wird, dann amputieren wir eine grundlegende Eigenschaft des Homo sapiens: unsere Fähigkeit, aus einer Situation eigenständige und ungechnliche Schlüsse zu ziehen, zu differenzieren…. und kluge Schlussfolgerungen zu ziehen.“6

Quellenangaben

  1. Rezaei, M., Malekpour, M. & Rassafiani, M. Assessment of Knowledge of Iranian Occupational Therapists of Handling of Children with Cerebral Palsy. Occup. Ther. Int. (2014).
  2. Bennett, S. et al. Building capacity for knowledge translation in occupational therapy : learning through participatory action research. BMC Med. Educ. 1–11 (2016)
  3. Barry, M., Kuijer-siebelink, W., Nieuwenhuis, L. & Haan, S. Communities of practice : A means to support occupational therapists ’ continuing professional development . A literature review. (2016)
  4. Graham, J. V., Eustace, C., Brock, K., Swain, E. & Irwin-Carruthers, S. The Bobath concept in contemporary clinical practice. Top. Stroke Rehabil. 16, 57–68 (2009)
  5. http://www.centerforpubliceducation.org/Main-Menu/Staffingstudents/Teacher-quality-andstudent- achievement-At-a-glance/Teacher-quality-and-student-achievement-Researchreview. html
  6. Guggenbühl, A. Die vergessene Klugheit Wie Normen uns am Denken hindern. (Hogrefe AG, 2016)
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